Eigentlich waren wir bereits leicht optimistisch, was die angespannte Lage im Automotive Sektor betraf. Und obwohl Produktionen nach den ersten Lockdowns wieder aufgenommen wurden, folgte mit dem Stichwort Chipmangel direkt die nächste große Schlagzeile. Zwischendurch schien es fast so, als hätten wir das Gröbste hinter uns und unsere Zahlen im Flottenmarkt kamen wieder auf „normales“ Niveau. Nebenbei haben die alternativen Antriebe Schwung geholt und klettern seitdem jeden Monat mehr. Spätestens seit Ende Februar hat sich die Lage aber nochmal zugespitzt. Wer hätte ahnen können, dass es mal wegen Kabelbäumen zu solchen Auswirkungen kommen könnte.
Diese Lieferengpässe betreffen zu einem sehr großen Anteil die Fuhrparkleiter. Umso mehr freuen wir uns, dass wir Michael Pohl, seines Zeichens Verantwortlicher für den Firmenfuhrpark bei Microsoft in Deutschland, für einen Expertentalk gewinnen konnten.
Herr Pohl, zunächst einmal an Sie ein großes Dankeschön, dass Sie sich die Zeit für unser Interview nehmen. Welche Auswirkungen haben, Ihrer Ansicht nach, die Lieferengpässe auf die Fuhrparks der Unternehmen?
Sehr gern, herzlichen Dank für die Möglichkeit, über unsere Erfahrung und Umsetzung sprechen zu können. Die Auswirkungen, die durch die Lieferengpässe der vergangenen Monate entstanden sind, sind in der Tat beunruhigend. Wir gehen davon aus, dass wir noch eine deutliche Zeit mit Einschränkungen in der Verfügbarkeit von Fahrzeugen leben müssen, hier ist noch lange kein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen. Die Unternehmen sind gezwungen, kreativ zu sein oder zu werden, wenn es um die Mobilität der Mitarbeitenden geht. Hier muss quasi alles „auf den Tisch“, was an Angeboten möglich ist und selbst Dinge, die man in normalen Zeiten nicht angeschaut hätte, sollten zumindest diskutiert werden. Um ein paar Stichworte zu nennen: Vertragsverlängerungen bzw. Anpassungen, Einführung bzw. Nutzung von Cash Allowances, Einführung von Mobilitätsprogrammen, Aufnahme weiterer Fahrzeughersteller in die Car Policy, etc. Da meine Rolle international ist, kann ich auch bestätigen, dass die Vorgehensweise in nahezu allen Ländern so oder sehr ähnlich ist, denn die Knappheit an Fahrzeugen trifft uns überall.
Gibt es von Seiten der Hersteller und Leasinggesellschaften Alternativen oder Lösungsvorschläge, um die Mobilität sicherzustellen?
Lösungsvorschläge gibt es, allerdings sind natürlich auch den Herstellern die Hände gebunden. Wenn Sie uns nicht schnell beliefern können, dann können sie auch nur selten alternative Fahrzeuge vorhalten. Vergleichbar ist es bei den Leasinggesellschaften, die zwar teilweise Überbrückungsfahrzeuge anbieten, aber diese sind auch nicht breit gesät. Im Grunde laufen die Lösungsvorschläge immer in die gleiche Richtung, wie ich sie in der vorherigen Antwort bereits benannt habe. Es gibt immer mal wieder „Insellösungen“, bei denen kurzfristig Fahrzeuge verfügbar sind, aber das ist nicht nachhaltig und so schnell, wie diese Fahrzeuge auftauchen, sind sie leider auch oft wieder verschwunden. Daher bemühen wir uns um Lösungen, die wir mittel- und langfristig umsetzen können. Und die uns idealerweise bestmöglich unabhängig machen.
Wie geht ihr Unternehmen mit der Situation um – suchen Sie, ganz unabhängig davon, was Hersteller und Leasinggesellschaften anbieten, nach weiteren Lösungen?
Abgesehen davon, dass wir mit erheblichen Verzögerungen bei den bestellten Firmenfahrzeugen von uns leben müssen (wir bestellen ca. 600 Fahrzeuge pro Jahr), haben wir zusätzlich die Herausforderung, dass auch unsere Partner in der Autovermietung nicht ausreichend Fahrzeuge haben, die sie uns als Überbrückung zur Verfügung stellen können. Wir sind also doppelt betroffen. Daher haben wir bereits im Spätsommer letzten Jahres begonnen, einen eigenen Fahrzeugpool aufzubauen, mit dem wir den Bedarf an Überbrückungsfahrzeugen bedienen können. Wir nutzen dafür Autos, die wegen des Leasingvertragsendes an den Leasinggeber zurückgehen würden. Aufgrund von Corona sind die Fahrleistungen bei diesen Fahrzeugen oft sehr niedrig, so dass wir diese wunderbar als „Mietwagen“ einsetzen können. Dankenswerterweise ist unser Leasingpartner sehr flexibel und gibt uns die Möglichkeiten zur Verlängerung. Außerdem bieten wir Mitarbeitern an, in die Cash Allowance zu wechseln oder aber in ein Auto-Abo Programm, das über 12 Monate bei einem weiteren Lieferanten läuft und das von uns derzeit mit reinen E-Fahrzeugen und PHEV pilotiert wird. Wir mussten leider während besonders angespannten Zeiten beginnen, Priorisierungen bei den Mitarbeitenden vorzunehmen. Nicht jede und jeder benötigt zwingend ein Auto, aber es gibt Mitarbeitende, die zu Kunden oder Partnern müssen und dazu den Firmenwagen nutzen. Diese haben Vorrang vor denen, bei denen das Auto „nur“ Teil des Gesamtpaketes ist. Wir sind sehr froh, dass unsere Mitarbeitenden dies verstehen und aktiv unterstützen. Wir haben Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, nicht unbedingt benötigte Firmenfahrzeuge in den Pool abzugeben und in die Cash Allowance oder das Auto Abo umzusteigen. Auch das hat uns einige Fahrzeuge in den Pool gebracht, die jetzt von Mitarbeitenden genutzt werden, die das Auto wie vorgenannt dringend benötigen, um ihre Rolle zu erfüllen.
Hat sich im Rahmen dieser Verzögerungen auch eine Wendung in Ihren Mobilitätskonzepten gezeigt?
Manchmal geschehen Dinge parallel voneinander und können sogar unterstützen – so wie bei uns. Wir haben im September letzten Jahres – nach einiger Zeit an Vorbereitung – zwei Mobilitätspiloten an den Start gebracht, bei denen wir sowohl ein Auto Abo als Alternative zum klassischen Firmenwagen anbieten als auch ein Mobilitätsbudget, bei dem Mitarbeiter bei der Entscheidung für ein kleineres Fahrzeug das verbliebene Budget für andere Mobilitätsmittel nutzen können. Damit stellen wir das Gesamtangebot auf vier solide Säulen:
- Cash Allowance
- klassischer Firmenwagen über 36 Monate
- kleinerer Firmenwagen mit Mobilitätsbudget
- das bereits vorher benannte Auto-Abo über 12 Monate mit EV und PHEV
Insbesondere das letztgenannte Modell hilft uns dabei, unsere Mitarbeitenden ohne lange Bindung beim Firmenwagen in das Thema „elektrifizierte Fahrzeuge“ hereinschnuppern zu lassen, was der langfristigen Planung von Microsoft entspricht: Microsoft wird im Jahr 2030 keinen Firmenwagen mit einem Verbrennungsmotor mehr haben. Je früher wir anfangen, uns strategisch dahin auszurichten, umso einfacher fällt der Umstieg. Schon heute sind 44% aller regulären Neubestellungen EV, zusammen mit den PHEV liegen wir bei mehr als 76% elektrifiziertem Bestelleingang.
Welche Ratschläge können Sie anderen Fuhrparkverantwortlichen geben, die ebenfalls von Lieferengpässen betroffen sind?
Wie bereits zu Beginn beschrieben, muss alles, was denkbar ist – und auch das, was undenkbar erscheint – diskutiert werden. Jedes Unternehmen hat andere Rahmenbedingungen, die es zu erfüllen gilt. Bei Microsoft betreiben wir eine reine Benefit-Flotte, da gibt es andere Herausforderungen als bei Firmen, bei denen es viele Funktionsfahrzeuge gibt. Hier steht das Geschäftsmodell im Vordergrund und die Fahrzeuge dienen aktiv dazu, das Geschäft darzustellen. Es gibt Autos mit hohen Laufleistungen und Fahrzeuge, die vergleichsweise wenig fahren. Mein Ratschlag an meine Kolleginnen und Kollegen ist, dass sie Entscheidungen, die sich z.B. um das Thema Elektrifizierung und/oder Mobilität drehen, nicht vor sich herzuschieben, sondern jetzt aktiv in die Lösungsfindung einzubinden. Nur mit einer echten Offenheit zur Veränderung wird man die aktuelle Problematik erfolgreich angehen können. Wer sich jetzt hinter den Problemen versteckt, wird diese nicht lösen, sondern von ihnen überrannt. Das darf und soll nicht sein – es stehen so großartige Möglichkeiten bereit, die man nutzen kann, die der gesamten Gesellschaft und der Umwelt helfen wird, wenn man sie sinnvoll einsetzt.